Wissenschaftliche Illustrationen gelten als universelle Sprache, die über Disziplinen und geografische Grenzen hinweg Brücken schlägt. Visuelle Kommunikation macht komplexe Konzepte zugänglich und leichter verständlich, aber unterschiedliche kulturelle Kontexte und Normen können sich erheblich darauf auswirken, wie wir visuelle Darstellungen sehen, verstehen und auf sie reagieren. Deshalb ist es für Illustratoren, Forscher und Pädagogen wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie kulturübergreifende Kontexte die Art und Weise beeinflussen, wie ihr Bildmaterial aufgenommen wird.  

In diesem Artikel untersuchen wir, wie sich der kulturelle Kontext auf die visuelle Wahrnehmung auswirkt, und listen einige bewährte Verfahren auf, mit denen Sie Ihre visuelle Kunst für alle Zielgruppen integrativer und effektiver gestalten können.   

Der Einfluss des kulturellen Kontexts auf die visuelle Wahrnehmung 

Forschung in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences [1] zeigt, dass Asiaten und Amerikaner die Welt unterschiedlich sehen. Wenn ihnen ein Foto gezeigt wurde, schenkten nordamerikanische Studenten mit europäischem Hintergrund dem Objekt im Vordergrund einer Szene mehr Aufmerksamkeit, während Studenten aus China mehr Zeit damit verbrachten, den Hintergrund zu studieren und die gesamte Szene aufzunehmen.   

Die Studie ergab ferner, dass kulturelle Erfahrungen prägen visuelle Wahrnehmung und wie Menschen wissenschaftliche Abbildungen sehen und verarbeiten. So konzentrierten sich Menschen aus dem Westen beispielsweise mehr auf einzelne Elemente innerhalb einer Szene, was das analytische Denken beeinflusste. Asiaten nehmen Szenen ganzheitlich wahr und achten mehr auf den Kontext und die Beziehungen zwischen Objekten.   

Kulturelle blinde Flecken können zu Fehlinterpretationen führen 

Der Kontext ist entscheidend; was für eine Person klar und deutlich erscheint, kann für jemanden mit einer anderen Sichtweise eine völlig andere Bedeutung haben. Dies gilt insbesondere für visuelle Darstellungen. Im Folgenden finden Sie einige häufige Fälle von Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Illustrationen aufgrund von Unterschieden im interkulturellen Kontext. 

1. Farbbedeutungen in medizinischen Illustrationen 

Farben haben starke symbolische Bedeutungen, die sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. So wird beispielsweise die Farbe Weiß in vielen westlichen Kulturen mit Reinheit assoziiert, während sie in einigen Teilen Asiens für Trauer oder Tod steht. Die Verwendung der Farbe Weiß in medizinischen Illustrationen, um ein Gefühl der Sauberkeit zu vermitteln, kann also in bestimmten Kulturen, in denen sie für "Tod oder Verlust" steht, ungewollt Unbehagen auslösen.  

2. Anatomische Darstellungen und kulturelle Empfindlichkeiten 

Kulturelle Empfindlichkeiten spielen ebenfalls eine große Rolle bei der Wahrnehmung von Bildmaterial. So sah sich beispielsweise eine globale Gesundheitsorganisation mit der Herausforderung konfrontiert, Lehrmaterial mit anatomischen Diagrammen zu verteilen. Die anatomischen Diagramme, die in westlichen Kulturkreisen als völlig akzeptabel gelten, wurden in konservativen Gesellschaften als zu explizit und anstößig empfunden[2]. Anstatt das Publikum anzusprechen, führte diese kulturelle Diskrepanz dazu, dass die visuelle Kommunikation abgelehnt oder ignoriert wurde, was letztlich die Aufklärungsziele der Kampagne beeinträchtigte.   

Bewährte Praktiken für kultursensible wissenschaftliche Illustrationen 

Wie können Sie also sicherstellen, dass Ihre visuelle Kommunikation kulturübergreifend wirksam und gleichzeitig wissenschaftlich korrekt ist? Hier sind ein paar Leitlinien: 

1. Verwenden Sie nach Möglichkeit universell einsetzbare visuelle Elemente: Wählen Sie allgemein anerkannte visuelle Symbole und Icons, einfache geometrische Formen und Farbkontraste für die visuelle Kommunikation. Vermeiden Sie die Verwendung kulturell sensibler visueller Mittel, es sei denn, sie werden klar erklärt, um Unterschiede in der visuellen Wahrnehmung je nach kulturellem Kontext zu vermeiden. Einfachheit hilft, die Wahrnehmungskluft zwischen den Kulturen zu überbrücken.  

2. Testen Sie wissenschaftliche Illustrationen mit verschiedenen Zielgruppen: Holen Sie vor der Fertigstellung wissenschaftlicher Illustrationen für eine globale Forschungspublikation das Feedback von Personen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund ein. Dies kann Ihnen helfen, unerwartete Interpretationen frühzeitig im visuellen Entwicklungsprozess zu verstehen und spätere Missverständnisse zu vermeiden. 

3. Bieten Sie mehrere Formate für wissenschaftliche Illustrationen an: Bieten Sie bei der Vermittlung komplexer wissenschaftlicher Konzepte mehrere visuelle Ansätze an, um den unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungsstilen gerecht zu werden. Die Erstellung von Infografiken, Diagrammen oder aufeinander aufbauenden Bildern zum selben Thema hilft, eine Reihe von visuellen Kommunikationspräferenzen zu erfüllen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass wesentliche Informationen nicht aufgrund kultureller Unterschiede in der visuellen Verarbeitung verloren gehen, wodurch wissenschaftliche Illustrationen integrativer wirken.   

4. Fügen Sie kontextbezogene Informationen ein: Fügen Sie klare Beschriftungen, Bildunterschriften, Aufforderungen oder Erklärungen in Form von Absätzen mit wissenschaftlichen Illustrationen hinzu, um dem Publikum zu zeigen, wie man ein Bild richtig "liest". Visuelle Kompetenz ist kulturell geprägt, und dieser Ansatz trägt dem Rechnung, indem er kulturelle Sensibilität im Design fördert.  

Die Einbeziehung des interkulturellen Kontextes in Ihre wissenschaftliche Illustrationspraxis ist kein Bonus, sondern unerlässlich. Kulturelle Sensibilität im Design bedeutet nicht nur, Beleidigungen zu vermeiden; es geht darum, akkurates Bildmaterial zu schaffen, das kulturelle Barrieren überwindet und so Inklusion und effektive interkulturelle Kommunikation gewährleistet. Gut durchdachtes Bildmaterial hat die Kraft, Menschen zu verbinden, und das ist das grundlegende Ziel der visuellen Kommunikation in der Wissenschaft.  

Referenzen:

  1. Assoziierte Presse. (2005, 23. August). In Asien haben es die Augen. WIRED. https://www.wired.com/2005/08/in-asia-the-eyes-have-it/
  2. Ofori, M. A., Lartey, S., Durneva, P., Jha, N., Mittal, N., Roy, S., Zeba, Z., Chirwa, S., Saulsberry-Scarboro, N., Taylor, M., & Joshi, A. (2025). Visual communication of public health data: a scoping review. Grenzen der digitalen Gesundheit, 7. https://doi.org/10.3389/fdgth.2025.1555231
logo-abonnement

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Exklusive, qualitativ hochwertige Inhalte über effektive visuelle
Kommunikation in der Wissenschaft.

- Exklusiver Leitfaden
- Tipps zur Gestaltung
- Wissenschaftliche Neuigkeiten und Trends
- Tutorials und Vorlagen